Das Training der faszialen Strukturen weist vier Schwerpunkte auf:


-  Verbesserung der Wasserbindungsfähigkeit durch Anwendung von Faszienrollen
- Förderung der aktiven Beweglichkeit und der dreidimensionalen
  Spannungsübertragung durch räkelndes Stretching
- Training der Elastizität und dosierte Vorspannung
- Schulung der Kinästhetik und Propriozeption

Faszienrollen
Die wahrscheinlich bekannteste Variante des Faszientrainings ist die Arbeit mit Faszienrollen. Meist schmerzhaft (auf Grund der Härte) und mit unterschiedlichem Umfang wird die Hartschaumrolle unter ein Körperteil gelegt und versucht, über diesem Druck zu entspannen, was je nach Körperregion durchaus eine Herausforderung sein kann. Direkt nach dem Rollen ist gewöhnlich eine spontane Schmerzreduktion und eine Zunahme der Beweglichkeit spür- und messbar - oftmals auch an Strukturen, welche aktuell gar nicht „behandelt“ wurden, sondern nur in einem Spannungszusammenhang mit dem bearbeiteten Gebiet stehen. Diese überraschend schnelle Wirkung macht „die Rolle“ bei Therapeuten, Patienten und Sportlern äußerst beliebt und hat sich in Trainings- und Heimprogrammen mittlerweile einen festen Platz erworben.

Ein wichtiger Grundsatz bei der Arbeit mit der Faszienrolle ist die therapeutische Langsamkeit der Bewegung. In vielen Anleitungen und Videoclips wird ein zügiges Rollen demonstriert, das die therapeutisch erwünschte Wirkung des Wasseraustauschs aber nicht ermöglicht! Die schmerzreflektorische Wirkung wird zwar trotzdem eintreten, jedoch hat sich eine Geschwindigkeit von etwa 1cm pro Minute als optimal herausgestellt, um das Gewebswasser von seinen Bindungsstellen zu lösen und hinter der Rolle besser binden zu lassen. Diese erhöhte Wasserbindung wird auf das Ausschwemmen ortsständiger Schlacken und den damit freilegten Bindungsstellen zurückgeführt. Vom kosmetischen Nutzen abgesehen lässt dieser erhöhte Wassergehalt die Faszien elastischer und rückstellkräftiger werden, was der sportlichen Leistungsfähigkeit zu Gute kommt. Allerdings ist langsames Rollen vor dem Sport genauso unangebracht wie langsames Dehnen: Beide Verfahren führen zu einer akuten Muskeldetonisierung und sollten deshalb erst nach dem Sport angewandt werden.

 

Räkelndes Stretching
Bei den meisten Jagdtieren kann man wunderbar beobachten: Aus der Ruhe oder nach einseitiger Tätigkeit erwacht man am besten mit einem wortwörtlich ausgedehnten Räkeln und Sich-Strecken. Diese sogenannte Aufspannung unterscheidet sich vom herkömmlichen Dehnen durch die aktiv zweifache Richtung mit einer inneren Verlängerung. Eine Katze würde sich beispielsweise zur Pectoralis-Dehnung niemals vor eine Wand stellen, die Vorderpfote anlegen, um sich dann einfach von der Wand wegzudrehen. Stattdessen schiebt sie die Pfote gegen die Wand, verlängert sich in deren Richtung, findet eine Gegenverlängerung im Rumpf und in den Hinterbeinen und sucht dann in kleinen Variationen nach jenen Fasern, die sich über noch mehr Dehnung freuen würden.
Auf diesem Hintergrund lassen sich viele bekannte Positionen und Übungen anpassen, indem man die Grundidee des Räkelns hineinwebt: Sich in die oder in der Dehnposition variierend bewegen, mindestens zwei Ausdehnungsrichtungen suchen und probieren, die innere Linie zu verlängern. Das Atmen nicht zu vergessen und ein inneres Lächeln zu bewahren wären noch zwei wichtige Zusatzaufgaben…

 

Training der Elastizität
Gazellen und Kängurus demonstrieren uns mit ihren Sprüngen etwas, wozu der Mensch prinzipiell auch in der Lage ist. Unsere Sehnen sind exakt gleich gebaut wie die unserer tierischen Vorbilder. Deutlich sichtbar wird das bei wirklich guten Läufern, bei jenen, die nach zwei Stunden die Ziellinie des Marathons überlaufen. Doch auch bei weniger gut trainierten Menschen stellt sich beispielsweise beim Seilhüpfen nach wenigen Bodenkontakten der Effekt ein, dass die gesamte Bewegungsenergie jeweils von der Achillessehne gespeichert, sofort wieder in den Absprung umgewandelt wird. Die Muskulatur hat dabei nachweislich nur eine isometrisch haltende Rolle. Diese kinetische Speicherfunktion der Faszien ist trainierbar und wird gemeinhin mit „Stiffness“ übersetzt. Aktuelle Tendenzen zur Reduktion der Dämpfungselemente in Sportschuhen und zum Barfußlaufen lassen sich damit ebenfalls erklären: will man Bodenreaktionskräfte nutzen, darf nicht zu viel Dämpfung (=verformbares Material) zwischen Füßen und Boden sein.
Um die elastischen Qualitäten der Faszien gezielt zu trainieren, benötigen diese eine überschwellige Strukturbeanspruchung, welche im Kraftbereich bei etwa 60 Prozent der Maximalkraft liegt. Von Vorteil sind Übungen in der äußeren Bahn bzw. endgradige Federungen, weil die Muskulatur - dabei sowieso über ihre Ruhelänge gedehnt - auf die elastischen Elemente zurückgreifen muss. In einer Ausholbewegung beim Werfen wird das Prinzip offensichtlich: Je weiter die Hand hinter den Körper geführt wird, desto größer ist der Anteil der elastischen Elemente - und damit verbessert sich die initiale Beschleunigung. Zusätzlich wird durch die sukzessive Impulsübertragung vom Rumpf auf den Arm (Einsatz von Stemmschritt, Hüftdrehung, Schultergürtel, Arm, Hand) die gesamte elastische Funktionslinie des Körpers ausgenutzt und das Wurfgerät peitschenartig beschleunigt. Das ist bei den meisten Ausholbewegungen der Fall - zumindest, wenn diese in der maximalen Amplitude ausgeführt werden.
Bei vielen Alltagsbewegungen ist eine endgradige Ausführung allerdings nicht möglich oder nicht erwünscht. Selbst beim erwähnten Seilhüpfen bewegt sich das Sprunggelenk eigentlich auf einer mittleren Bahn. Um in dieser Position gleichfalls die Elastizität der Sehnen auszunutzen, benötigt sie eine definierte Vorspannung, das heißt: Die Wadenmuskulatur verkürzt sich vor der Landung schon derart, dass die Achillessehne bei der Landung bereits vorgespannt ist. Dieser normalerweise automatisch ablaufende Vorgang kann - therapeutisch übertrieben eingesetzt - den Fokus auf die elastische Rückgewinnung der Bewegungsenergie lenken und damit verstärkt das fasziale Gewebe trainieren. Es ist also die muskuläre (Vor)-Arbeit, die dafür sorgt, dass die elastischen Faszien früher zum Einsatz kommen.

 

Propriozeption
In den Faszien befinden sich sechs Mal mehr afferente Rezeptoren als in der Muskulatur. Somit ist  das Thema Körperwahrnehmung, oder im weiteren Sinne auch die koordinativen Fähigkeiten, untrennbar mit einem Faszientraining verbunden. Schon die drei vorgenannten Bereiche machen wenig Sinn, wenn sie nicht mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit betrieben werden.
Zu beachten ist, dass unser Wahrnehmungs- und Bewegungszentrum neue Reize, ungewohnte Herausforderungen und feine Zwischentöne liebt. Man findet diese in Sportarten und Spielen, die sich mit äußeren Kräften, Gleichgewicht und differenziertem Reaktionsvermögen auseinandersetzen, ganz gleich, auf welchem sportlichen Niveau sich die Bewegung abspielt. Leider kommt dieses neugierige Ausprobieren im Alltag oft zu kurz, weil wir kulturbedingt mehr am Ergebnis einer Aufgabe interessiert sind als daran, auf welche Art und Weise diese gelöst wurde. Für die Entwicklung der Feinkoordination und deren Wahrnehmung sind aber eben diese Zwischentöne entscheidend. Das wissen auch Leistungssportler auf der Suche nach neuen Ideen, um ihr Training herausfordernd und interessant zu gestalten.
Therapeutisch versucht man, das Körperfühlvermögen des Patienten durch Ausschalten visueller Informationen („Augen zu“), erschwerte Bedingungen (instabile Untergründe) oder komplexe Aufgaben zu schulen. Neuerdings bieten sich auch geräteseitige Unterstützungen wie Kinesiotaping, Kompressionsanzüge und Tools zur flächigen Oberflächenstimulation an. Auch die technischen Möglichkeiten von WiiTM und Handykameras eröffnen reizvolle Chancen zur Schulung des Körpersinns. Diese Chancen gilt es zu nutzen und dabei das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: die Koordination zu verfeinern, die Wahrnehmung zu schulen und immer wieder die Freude an der Bewegung zu wecken.

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